Stellungnahme zum Cannabisgesetz


Der PHAGRO bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG) (BT-Drs. 20/8704).

Zu Artikel 2

Gesetz zur Versorgung mit Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken (Medizinal-Cannabisgesetz – MedCanG)

  1. Der PHAGRO bittet um eine ausdrückliche und rechtssichere Lösung, wie die bisher rechtmäßig auf der Grundlage einer Erlaubnis gem. § 3 BtMG mit (Medizinal-)Cannabis handelnden Unternehmen, für den Fall, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des MedCanG noch nicht rechtzeitig eine Erlaubnis gem. § 4 MedCanG erteilt worden ist, den Handel und die Abgabe vornehmen sollen, ohne die Erfüllung des Sicherstellungsauftrages vollversorgender pharmazeutischer Großhandlungen gem. § 52b Abs. 2 S. 2 AMG zu gefährden.
  2. Auch erscheint unklar, inwiefern nach Inkrafttreten des MedCanG mit demjenigen Lagerbestand umgegangen werden soll, der als BtM erworben oder eingeführt wurde und zum Inkrafttreten des Gesetzes sodann nicht mehr den rechtlichen Vorgaben des BtMG, allerdings dann des MedCanG, unterliegt. Auch hierfür ermangelt es einer gesetzlichen Übergangsregelung.
  3. Der PHAGRO würde es begrüßen, wenn die bisher in Deutschland auf der Grundlage einer BtM-Erlaubnis gemäß § 3 BtMG mit Cannabis handelnden Unternehmen, entweder automatisch eine, ggf. bezugnehmende, Erlaubnis gem. § 4 MedCanG erhalten oder durch eine Vorabanfrage durch das zuständige BfArM ermittelt werden könnte, welche der bisherigen Erlaubnisinhaber nach § 3 BtMG auf der Grundlage der bisher geltenden BtM- sowie Grundstoffrechtlichen Erlaubnisse (einschließlich Registrierungen) unter Geltung des MedCanG eine Erlaubnis gem. § 4 MedCanG benötigen und insofern, bestenfalls priorisiert und mit Wirkung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des MedCanG, ggf. über ein zuvor eingeleitetes Antragsverfahren, erhalten können.
  4. §§ 4 bis 7 des MedCanG-Entwurfes sehen vor, dass der Handel etc. mit Medizinalcannabis erlaubnispflichtig ist, außer in den in § 5 genannten Fällen, in denen von der Erlaubnispflicht abgesehen wird. Diese Ausnahmen von der Erlaubnispflicht sollen z.B. für Inhaber von Erlaubnissen für den Betrieb von Apotheken (gemäß § 3 sind nur Apotheken gegen Vorlage einer ärztlichen Verschreibung zur Abgabe von Medizinalcannabis an den Endverbraucher berechtigt) und die übrigen sonstigen für die Bewertung hier vermeintlich weniger relevanten Fälle gelten. Demnach müssen auch vollversorgende Arzneimittelgroßhandlungen gem. § 3 i.V.m. § 5 eine neue Erlaubnis zum (Groß-) Handel mit Cannabis für medizinische Zwecke trotz Vorliegen einer Großhandelserlaubnis gem. § 52a AMG, trotz Sicherstellungsauftrag gem. § 52b Abs. 2 S. 2 AMG und trotz vorhandener Erlaubnis zum Verkehr mit Betäubungsmitteln gemäß § 3 BtMG zum Zwecke der Erfüllbarkeit des Sicherstellungsauftrags gem. § 52b Abs. 2 S. 2 AMG neu beantragen und in diesem Falle auch das Vorliegen der in § 7 Abs. 2 aufgeführten Anforderungen nachweisen, insbesondere zumindest die Benennung einer verantwortlichen Person und eine Beschreibung der Lage der Betriebsstätten (siehe Ziffer 5).
  5. Im Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis soll gemäß § 7 Abs. 2 Ziff. 5 MedCanG die Art des Umgangs mit Medizinalcannabis benannt werden z.B. Ein- und Ausfuhr. Demnach ist für jede einzelne Transaktion der Ein- und Ausfuhr, also mit Außenhandelsbezug, über die Erlaubnis zum Handel mit Cannabis gem. § 4 MedCanG hinaus noch eine zusätzliche Genehmigung nach § 12 notwendig. Außerdem ist die BTM-AußenhandelsV und das dort geregelte Belegverfahren weiterhin anzuwenden. Der PHAGRO bittet daher klarzustellen, dass in den oben genannten Fällen das Erfordernis einer Erlaubnis nach § 3 BtMG für den Außenhandel mit Cannabis entfällt, anderenfalls Großhändler für den Außenhandel mit Cannabis zu medizinischen Zwecken eine Erlaubnis gem. § 52a AMG, gem. § 4 MedCanG, gem. § 12 MedCanG sowie gem. § 3 BtMG benötigen. Wir bitten weiterhin dringend darum, die Erforderlichkeit, Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Erlaubnissystematik in Bezug auf vollversorgende Arzneimittelgroßhandlungen und deren mit Erlaubniserhalt verbundenen Sicherstellungsauftrag gem. § 52b Abs. 2 S. 2 AMG, der auch Cannabis zu medizinischen Zwecken umfasst, zu prüfen.
  6. Gemäß § 6 Ziff. 3 MedCanG ist die Art an Cannabis zu medizinischen Zwecken in der Erlaubnis zu bezeichnen, d.h., dass andere Formen von Cannabis, als die in der Erlaubnis genannten, vom Handel solange ausgeschlossen sind oder wären, solange keine Erlaubnis, mit diesen „Arten“ von Cannabis Handel zu treiben, neu beantragt und erteilt wurde. Der PHAGRO bittet darum, dass für den Fall, dass mit anderen „Arten“ von Cannabis für medizinische Zwecke gehandelt werden soll, als denjenigen, für die die Erlaubnis erteilt wurde, ein Anzeigeverfahren ausreichend ist, und hierfür kein neuerliches und gesondertes Erlaubnisverfahren notwendig ist.
  7. Im Rahmen des Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 4 MedCanG und § 7 MedCanG ist bzw. sind gemäß § 7 Abs. 2 Ziff. 1 MedCanG eine oder mehrere verantwortliche Person(en) zu benennen, von der bzw. von denen gem. § 7 Abs. 2 Ziff. 3 MedCanG insbesondere auch der Nachweis der erforderlichen Sachkenntnis erwartet wird. Möglicherweise in Reaktion um die Diskussion und rechtlichen Auseinandersetzung um die Sachkenntnisanforderung der verantwortlichen Person für den Arzneimittelgroßhandel wurde im Gesetzesentwurf gem. § 7 Abs. 3 Ziff. 3 MedCanG (für Fälle, die nicht das Herstellen nach dem AMG bzw. Anbau/Herstellung/Anbau von Cannabis zu med.-wiss. Zwecken betreffen, für die der Regelung im BtmG entsprechende, besondere Anforderungen definiert sind) grundsätzlich entsprechend die Anforderung einer abgeschlossenen Berufsausbildung als Kauffrau im Groß- und Außenhandel oder Kaufmann im Groß- und Außenhandel und durch die Bestätigung einer mindestens einjährigen praktischen Tätigkeit im Arzneimittelverkehr definiert. Dies ist eine strengere formale Sachkenntnisanforderung als für die jetzigen BtM-Verantwortlichen nach dem BMG und orientiert sich an den Verantwortlichkeiten verantwortlicher Personen für einen Großhandelsbetrieb, jedenfalls aber nicht an den produktbezogenen Anforderungen an den Handel mit Cannabis zu medizinischen Zwecken. Zwar sieht § 7 Abs. 4 MedCanG vor, dass im Einzelfall abweichend von den in Abs. 3 genannten Sachkenntnisanforderungen andere Nachweise verlangt werden können, wenn die Sicherheit und Kontrolle des Verkehrs mit Cannabis zu medizinischen Zwecken gewährleistet ist, aber für die Unternehmen des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels erscheint nicht ersichtlich, woraus sich gerade die Anforderungen der in § 7 Abs. 3 MedCanG genannten beruflichen  Abschlüsse als Anforderungen für die verantwortliche Person für den Handel mit Cannabis zu medizinischen Zwecken ergeben. Aus diesem Grund regt der PHAGRO an, dass – wie bisher bei der Benennung der BtM-Verantwortlichen – eine entsprechende Unterweisung, z.B. im Rahmen eines Seminars von spezialisierten Anbietern, und insbesondere entsprechende praktische Berufserfahrungen (im Arzneimittelgroßhandel) als ausreichend angesehen werden. In diesem Sinne wird auf Kap. 2.2. Abs. 1 S. 2 der GDP-Leitlinien hingewiesen, wonach die verantwortliche Person über angemessene Kompetenz und Erfahrung sowie über Kenntnisse und eine Ausbildung in der guten Vertriebspraxis verfügen sollen.
  8. Weiterhin bleibt offen, ob für jede Betriebsstätte eine separate verantwortliche Person zu benennen ist und ob für alle angegebenen Betriebsstätten eine einheitliche Erlaubnis – standortübergreifend unter Einbeziehung sämtlicher Betriebsstätten – beantragt bzw. erteilt werden kann.
  9. Außerdem wird im Zusammenhang mit der Benennung einer verantwortlichen Person in § 7 MedCanG gefordert, dass bereits im Antrag dargelegt werden muss, auf Grund welcher Umstände die verantwortliche Person die ihr obliegenden Verpflichtungen ständig erfüllen kann. Diese Formulierung erinnert an die Argumentation von Arzneimittelaufsichtsbehörden, für den pharmazeutischen Großhandel benannte verantwortliche Personen für eine Verantwortlichkeit für nicht mehr als für eine Betriebsstätte zu genehmigen. Diese Anforderung sollte komplett gestrichen werden. Der PHAGRO weist hierzu auf Kap. 2.2. Abs. 2 der GDP-Leitlinien hin, die bestimmen: „Sie sollte ihre Verantwortung persönlich wahrnehmen und jederzeit erreichbar sein. Die verantwortliche Person kann bestimmte Aufgaben delegieren, nicht aber ihre Verantwortung.“
  10. Gemäß § 16 Abs. 3 Ziff. 4 MedCanG sollen zusätzlich und gesondert neben den zu führenden Aufzeichnungen für den Erwerb, die Aufbewahrung und die Abgabe von Medizinalcannabis (und zwar unabhängig von den im Fall von Arzneimitteln parallel fortgeltenden arzneimittelrechtlichen Dokumentationspflichten) regelmäßige jährliche Meldungen über den Bestand zum Kalenderjahresende (Meldung bis zum 31.01. des Folgejahres, und zwar nach Gewichtsmenge bzw. bei abgeteilten Zubereitungen nach Stückzahl) verlangt werden – wobei Verstöße gegen § 16 bußgeldbewehrt sind. Da davon ausgegangen wird, dass die Meldung aufgrund der Berichtspflicht der Bundesrepublik Deutschland an die Vereinten Nationen bzw. an das INCB International Narcotics Control Board (https://www.incb.org/) zum 31.03. jeden Jahres weiterhin erforderlich ist, wird sich an diesem Erfordernis wohl nichts ändern.  Allerdings sollte die Anforderung nach einer Meldung einer betriebsstättenbezogenen Angabe der Gewichtsmenge/Stückzahl vorliegend überdacht werden. Der PHAGRO bittet zu prüfen und zu berücksichtigen, ob mit der arzneimittelrechtlichen Dokumentation die erforderlichen Dokumentationspflichten auch für den Umgang mit Medicinalcanabis nicht bereits hinreichend gewährleistet sind, sodass eine nochmalige separate Dokumentation nicht erforderlich sein dürfte und aus Gründen des damit generierten erheblichen bürokratischen Mehraufwandes entfallen könnte.
  11. Gemäß § 21 MedCanG ist vorgesehen, dass das BfArM Maßnahmen zur Sicherung anordnen kann, wenn Medizinalcannabis „nicht ausreichend gegen den Zugriff unbefugter Personen gesichert“ wird. Diese Vorgabe darf jedoch nicht dazu führen, dass höhere Anforderungen an die Aufbewahrung von Cannabis zu medizinischen Zwecken als im Rahmen der für den pharmazeutischen Großhandel geltenden Aufbewahrungs- und Sicherungspflichten vorgesehen sind. Vielmehr sollte „Sicherung gegen den Zugriff unbefugter Personen“ so verstanden werden, wie dies für die übrigen Arzneimittel (Kap. 3.2 Abs. 8 GDP-Leitlinien) auch gilt und die für diese geltenden Sicherungsmaßnahmen auch für Medizinalcannabis als ausreichend angesehen werden.