Arzneimittelversorgung sicherstellen – Versorgungssicherheit gewährleisten


Der PHAGRO bedankt sich für die Möglichkeit der Stellungnahme zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU „Arzneimittelversorgung sicherstellen – Versorgungssicherheit gewährleisten“ (BT-Drs. 20/9319) vom 14. November 2023.

Die PHAGRO-Mitgliedsunternehmen bringen sich mit großem Engagement in die Bekämpfung und Vermeidung von Lieferengpässen ein und haben aufgrund nach wie vor zunehmender Lieferengpässe und lieferengpassbedingter Kontingentierungen der pharmazeutischen Industrie erhebliche Mehraufwendungen, um den gesetzlichen Sicherstellungsauftrag gemäß § 52b Abs. 2 S. 2 i. V. m. Abs. 1 AMG, d. h. eine bedarfsgerechte und kontinuierliche Belieferung der Apotheken mit den von Patienten nachgefragten und von diesen benötigten Arzneimitteln, sicherstellen zu können. Die vollversorgenden pharmazeutischen Großhandlungen lassen nichts unversucht und engagieren sich in höchstem Maße, um die Versorgung der Bevölkerung in Deutschland mit allen apothekenpflichtigen Arzneimitteln, einschließlich dringend benötigter Antibiotika und Kinderarzneimittel, soweit wie irgend möglich sicherzustellen.

Dieses durch den vollversorgenden Großhandel garantierte hohe Versorgungsniveau muss auch in Zukunft auf der Grundlage eines vollständigen und herstellerneutral gestalteten Sortiments an apothekenpflichtigen Arzneimitteln aufrechterhalten werden können. Der vollversorgende pharmazeutische Großhandel in Deutschland sieht sich in der Pflicht, den Bedarf von Patientinnen und Patienten der mit der Großhandlung in Geschäftsbeziehung stehenden Apotheken werktäglich innerhalb angemessener Zeit zu decken. Über das bundesweite Verteilnetz aller im PHAGRO organisierten pharmazeutischen Großhändler mit insgesamt ca. 100 Standorten wird eine faire und bundesweit flächendeckende Verteilung der Arzneimittel, auch im Fall von Lieferengpässen und mindermengenbedingten Kontingentierungen, mit den verfügbaren Produkten und Mengen sichergestellt.

Um zukünftig frühzeitig Lieferengpässe zu erkennen, sieht der durch das am 27. Juli 2023 in Kraft getretene Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) eingeführte § 52b Abs. 3g) AMG vor, dass das BfArM ein Frühwarnsystem zur Erkennung drohender versorgungsrelevanter Lieferengpässe bei Arzneimitteln etablieren und Kriterien für die Erkennung von drohenden versorgungsrelevanten Lieferengpässen, die dem Frühwarnsystem zugrunde zu legen sind, entwickeln soll.

Auf Anforderung des BfArM haben pharmazeutische Unternehmer, Hersteller und Arzneimittelgroßhandlungen zur Abwendung oder Abmilderung eines drohenden oder bestehenden versorgungsrelevanten Lieferengpasses eines Arzneimittels Daten zu verfügbaren Beständen, zur Produktion, einschließlich der Herstellungsstätte der bei der Herstellung des Arzneimittels tatsächlich verwendeten Wirkstoffe, und zur Absatzmenge sowie Informationen zu drohenden Lieferengpässen des jeweiligen Arzneimittels elektronisch mitzuteilen (§ 52b Abs. 3e) AMG). Das BfArM kann, soweit es zur Beurteilung der Versorgungslage erforderlich ist, neben pharmazeutischen Unternehmern auch von Arzneimittelgroßhandlungen eine regelmäßige Datenübermittlung in elektronischer Form zu verfügbaren Beständen und zur Absatzmenge von Fertigarzneimitteln fordern (§ 52b Abs. 3f) S. 3 AMG).

Die von den Mitgliedsunternehmen des Bundesverbandes PHAGRO auf Niederlassungsebene an das BfArM gemeldeten wöchentlichen Verfügbarkeitsmeldungen der Arzneimittel gemäß § 35 Abs. 5a) SGB V und insbesondere der Kinderarzneimittel der sog. Dringlichkeitsliste, d. h., der Arzneimittel, für die im Herbst/Winter 2023/2024 wegen steigender Infektionszahlen eine erhöhte Nachfrage eintreten könnte, dienen der schnellstmöglichen Erkennung von Lieferengpässen. Dieses etablierte Frühwarnsystem kann jederzeit auf Anforderung des BfArM um weitere Arzneimittel erweitert werden.

Vor dem Hintergrund der weiterhin zunehmenden Anzahl an Lieferengpässen bei Arzneimitteln werden derzeit zusätzlich bei den PHAGRO-Mitgliedsunternehmen sog. Service-Level-Daten als prospektiver Indikator für drohende oder bestehende Lieferengpässe erfasst und in Kürze (März 2024) an das BfArM gemeldet werden. Das Service-Level beschreibt dabei die Erfüllungsquote von tatsächlichen Wareneingängen im pharmazeutischen Großhandel zu den vom Großhändler beim jeweiligen pharmazeutischen Unternehmer/Hersteller eines Arzneimittels getätigten Bestellungen auf Produkt- und auf Wirkstoffebene. Mit Hilfe ab- oder zunehmender Service-Level-Quoten lassen sich in Verbindung mit den Verfügbarkeitsdaten sowohl kurz- als auch mittel-/langfristige Aussagen zu drohenden, bestehenden oder rückläufigen Lieferengpässen treffen.

Die Meldung von Verfügbarkeits- und Service-Level-Daten des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels ist auch Teil der aktuell im Europäischen Parlament beratenen Berichtsentwürfe des EU-Parlaments zu den Entwürfen der Kommission für eine neue Verordnung und Richtlinie zur Revision des EU-Arzneimittelrechts.

Aus der Sicht des PHAGRO müssen aber alle Akteure der Arzneimittellieferkette in die Meldung von Bestands- und Verfügbarkeitsdaten einbezogen werden, um eine letztlich valide Datenbasis zur Einschätzung der Versorgungslage zu schaffen.

Vorschläge, der vollversorgende pharmazeutische Großhandel solle insbesondere (alle) versorgungskritischen Arzneimittel für einen längeren Zeitraum als für den derzeit gesetzlich vorgesehenen Bedarf von zwei Wochen (§ 52b Abs. 2 S. 2 Halbs. 2 AMG) bzw. von vier Wochen für die in der nach § 35 Abs. 5a) S. 1 SGB V erstellten Liste aufgeführten Arzneimittel, vorhalten, um Engpässe abzufedern, laufen ins Leere, wenn der Großhandel von pharmazeutischen Unternehmern nicht oder nur in nicht bedarfsgerechten Mindermengen beliefert oder der Großhandel beim Vertrieb durch pharmazeutische Unternehmer bewusst umgangen wird.

Die Beschaffungsmöglichkeiten und die Verfügbarkeiten der Arzneimittel der wirkstoff- und darreichungsbezogenen BfArM-Dringlichkeitsliste haben sich zwar gebessert, aber der pharmazeutische Großhandel kann sich weiterhin bei bestimmten Antibiotika der Dringlichkeitsliste nicht ausreichend bevorraten. So sind z. B. die Verfügbarkeiten von Azithromycin, Clarithromycin und Erythomycin weiter rückläufig.

Da es teilweise objektiv unmöglich ist, diese Arzneimittel bedarfsgerecht bei der pharmazeutischen Industrie zu beschaffen, geschweige denn Lagerbestände aufzubauen, kann der vollversorgende pharmazeutische Großhandel seiner gesetzlichen Vorhaltungsverpflichtung gem. § 52b Abs. 2 S. 2 Arzneimittelgesetz für diese Dringlichkeits-Arzneimittel und Kinder-Antibiotika nicht entsprechen.

Maßnahmen des Verbringens von Dringlichkeits-Arzneimitteln aus anderen Mitgliedstaaten der EU und/oder des EWR oder des Importes aus Drittstaaten durch und über den vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel stellen aus unserer Sicht kein dem Großhandel grundsätzlich obliegendes Instrument der Regelversorgung zur Erfüllung des notwendigen Versorgungsumfanges gem. § 52b Abs. 2 S. 2 AMG dar. Damit kann aus unserer Sicht keine nennenswerte Verbesserung der Versorgungssituation erreicht werden.

Um im Falle von Versorgungsengpässen Kleinstmengen von auf dem deutschen Markt nicht oder nur schwer erhältlichen Arzneimitteln über den Weg des Verbringens und/oder des Importes verfügbar machen zu können, bitten wir seit langem um Unterstützung, die bestehenden (haftungs-)rechtlichen und bürokratischen Hürden kurzfristig abzubauen und unter Berücksichtigung der aufwands-, kosten- und preisbezogenen Folgen ein effizientes Instrument der Umsetzung von § 79 Abs. 5 AMG unter Einbeziehung aller Beteiligten inklusive des PHAGRO zu schaffen. Die hierfür begonnenen Beratungen im BfArM haben bislang zu keinen bzw. nur zu geringen greifbaren Lösungen geführt.

Weiterhin weisen wir darauf hin, dass eine Vertiefung der Lagerhaltung für den Großhandel bedeutet, dass dieser gezwungen ist, mehr Kapital für Lager, Risiko und Reichweite aufzuwenden. Im Übrigen wäre dieses Vorhaben kostentechnisch unmöglich zu bewerkstelligen, da der Großhandel schon jetzt einen wertmäßigen Lagerbestand von mehr als 2 Mrd. € an Arzneimitteln vorhält, der beispielsweise bei einer 4- statt 2-wöchigen Lagerhaltung um mindestens weitere 2 Mrd. € ansteigen dürfte. Alleine die Zinseffekte hieraus sind höher als die derzeitigen Jahres-Gewinne aller PHAGRO-Mitgliedsunternehmen.

Die Infrastruktur des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels ist seit Jahren aufgrund der seit dem Jahr 2012 strukturell nicht mehr angepassten und nicht mehr ausreichenden Großhandelsvergütung gemäß Arzneimittelpreisverordnung staatlich unterfinanziert. Zeitgleich sind die Aufwände des Großhandels lieferengpassbedingt enorm gestiegen. Da kurzfristig nicht mit einem Abnehmen von Lieferengpässen bei Arzneimitteln zu rechnen ist, darf eine ausreichende finanzielle Absicherung der noch bestehenden Infrastruktur als erste notwendige Maßnahme nicht aus dem Fokus geraten.

Wir bitten Sie, die Ursachen der Liefer- und Versorgungsengpässe zu bekämpfen, indem Sie die pharmazeutische Industrie durch eine Förderung der Herstellung und Entwicklung von Arzneimitteln unterstützen und die für ein bedarfsgerechtes Inverkehrbringen von Arzneimitteln notwendigen Aufwendungen aller an der Arzneimittelversorgung Beteiligten, d. h. von Industrie, Großhandel und Apotheken, adäquat gegenfinanzieren.

Der PHAGRO | Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels e. V. vertritt die 8 in Deutschland ansässigen vollversorgenden pharmazeutischen Großhandlungen, die sämtliche öffentlichen Apotheken in Deutschland herstellerneutral mit den von Patienten nachgefragten Arzneimitteln schnell, sicher und flächendeckend versorgen.