Der PHAGRO bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme und begrüßt das Ziel der Bundesregierung, Versorgungsengpässe in der Zukunft zu vermeiden und die Lieferketten für die betroffenen Arzneimittel und damit die Versorgungssicherheit zu stärken. Zu diesem Zwecke sind strukturelle und infrastrukturerhaltende Maßnahmen für den vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel notwendig, die sich bislang nur unzureichend im Gesetzentwurf wiederfinden.
Die PHAGRO-Mitgliedsunternehmen, die vollversorgenden pharmazeutischen Großhändler in Deutschland, bringen sich mit großem Engagement in die Bekämpfung und Vermeidung von Lieferengpässen ein und unternehmen in Zeiten zunehmender Lieferengpässe und lieferengpassbedingter Kontingentierungen der pharmazeutischen Industrie erhebliche Aufwendungen, um ihren gesetzlichen Sicherstellungsauftrag gemäß § 52b Abs. 2 S. 2 i.V.m. Abs. 1 AMG, d. h. eine bedarfsgerechte und kontinuierliche Belieferung der Apotheken mit den von Patienten nachgefragten und von diesen benötigten Arzneimitteln, sicherzustellen.
Dieses durch den vollversorgenden Großhandel garantierte hohe Versorgungsniveau muss auch in Zukunft auf der Grundlage eines vollständigen und herstellerneutral gestalteten Sortiments an apothekenpflichtigen Arzneimitteln aufrechterhalten werden können. Der vollversorgende pharmazeutische Großhandel in Deutschland sieht sich in der Pflicht, den Bedarf von Patientinnen und Patienten der mit der Großhandlung in Geschäftsbeziehung stehenden Apotheken werktäglich innerhalb angemessener Zeit zu decken, wobei die vorzuhaltenden Arzneimittel mindestens dem durchschnittlichen Bedarf für zwei Wochen entsprechen.
Über das bundesweite Verteilnetz aller im PHAGRO organisierten vollversorgenden pharmazeutischen Großhändler mit insgesamt 104 Standorten wird eine faire und flächendeckende Verteilung der Arzneimittel, auch im Fall von Lieferengpässen und mindermengenbedingten Kontingentierungen, sichergestellt.
- Zu Artikel 1 Nummer 6 lit. e) ALBVVG – § 52b Absatz 3g) AMG (Neu)
Um zukünftig frühzeitig Lieferengpässe zu erkennen, sieht der Gesetzentwurf vor, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein Frühwarnsystem zur Erkennung drohender versorgungsrelevanter Lieferengpässe bei Arzneimitteln etablieren und der Beirat besondere Kriterien für dessen Einrichtung entwickeln soll. Der überwiegende Teil der Beobachtung der Versorgungslage soll wie bislang über Anforderungen von Daten bei pharmazeutischen Unternehmern und, soweit dies zur Beurteilung der Versorgungslage erforderlich ist, zu den Lagerbeständen beim Großhandel erfolgen.
Aus der Sicht des PHAGRO müssen alle Akteure der Arzneimittellieferkette in die Meldung von Bestands- und Verfügbarkeitsdaten einbezogen werden, um eine valide Datenbasis zur Einschätzung der Versorgungslage zu schaffen.
Der PHAGRO begrüßt die Erweiterung der Auskunftspflichten in § 52b Abs. 3e) AMG (Neu) durch Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe c) aa), weist aber nochmals darauf hin, dass damit noch immer nicht alle Akteure der Arzneimittellieferkette in die Meldung von Bestands- und Verfügbarkeitsdaten einbezogen werden. Ansätze einzelner Bundesländer zur Einbeziehung aller Akteure der Arzneimittellieferkette in den Kreis der grundsätzlich Auskunftsverpflichteten gehen bereits weiter und werden vom PHAGRO ausdrücklich begrüßt.
Die wöchentliche Verfügbarkeitsmeldung aller Niederlassungen der PHAGRO-Mitgliedsunternehmen an das BfArM ist das derzeit valideste Frühwarnsystem zur schnellstmöglichen Erkennung von Lieferengpässen. Ein Lieferengpass zeichnet sich in der Regel im Falle einer entstehenden Mangelsituation im Laufe von 2 – 4 Wochen ab. Derzeit melden die PHAGRO-Mitgliedsunternehmen wöchentlich Verfügbarkeiten (ja/nein) von ca. 2.500 versorgungskritischen Artikeln („Coronapandemie-bedingte“ Fokussierung). Nach Auffassung des PHAGRO und seiner Mitgliedsunternehmen könnte man dieses bereits etablierte Frühwarnsystem um weitere Arzneimittel erweitern.
Vor dem Hintergrund von Forderungen Dritter nach einer Ausweitung des Arzneimittelfälschungsschutzsystems securPharm zum Zwecke des Lieferengpassmonitorings betonen wir, dass das securPharm-System weder aktuell noch perspektivisch geeignet ist, ein funktionierendes Lieferengpassmonitoring im Sinne von § 52b Abs. 3 g) AMG (Neu) sicherzustellen.
Behauptungen, das securPharm-System ließe sich mit leichten Modifikationen zu einer regelmäßigen Beobachtung des Markts ausbauen, wozu Großhändler alle gelieferten Arzneimittelpackungen ein- und ausbuchen, sind fernab jeder Realität. Vielmehr würde eine Erweiterung bis hin zu einer vollumfassenden Verifizierungspflicht auf der Großhandelsebene nicht nur den bewährten risikobasierten Ansatz der Arzneimittelfälschungsschutzrichtlinie konterkarieren, sondern auch zu gravierenden Änderungen und Aufwänden im pharmazeutischen Großhandel und in den bestehenden IT-Infrastrukturen führen und immense Kosten verursachen.
Aufgrund der Komplexität der technischen und operativen Prozesse aller Beteiligten würde ein Umbau von securPharm von einem Fälschungsschutz- zu einem Lieferengpassmonitoringsystem viele Jahre benötigen, ohne letztlich den erwünschten Effekt erzielen zu können.
Vor dem Hintergrund existierender und schnell und aufwandsarm umzusetzender zielgerichteter Alternativoptionen (s.o.), die sowohl kurzfristig als auch kostengünstig Resultate erzielen könnten, wird vor einem Umbau des europäischen und der nationalen Fälschungsschutzsysteme für die Zwecke des Lieferengpassmonitorings dringend abgeraten.
Es lassen sich folgende Kernprobleme identifizieren:
- Eine Nutzbarmachung der bestehenden Verifikationsdaten aus dem
securPharm-System für ein Lieferengpassmonitoring führt zu Fehlannahmen
Aufgrund der aktuellen Meldepraxis der pharmazeutischen Unternehmer existiert kein klarer Überblick über die nationalen Verfügbarkeiten von Arzneimitteln. Pharmazeutische Unternehmer laden über den europäischen Hub (EMVS) ihre jeweiligen Packungsdaten häufig vor der tatsächlichen Verbringung in mögliche Zielländer in den nationalen Verifikationssystemen, so auch im securPharm-System, hoch. Sogenannte Multi-Market-Packungen werden für alle potenziellen Zielmärkte hochgeladen, sind aber tatsächlich nur in einem Markt verfügbar, so dass sie mehrfach gezählt werden. Daraus ergibt sich eine deutlich höhere Verfügbarkeit als sie tatsächlich in den jeweiligen nationalen Märkten gegeben ist. Ferner zeigt das System weder an, an welcher Stelle der Vertriebskette, noch in welchem nationalen Markt sich die entsprechenden Arzneimittelpackungen befinden.
Zudem werden gegenwärtig ausschließlich verschreibungspflichtige Arzneimittel über securPharm verifiziert. Somit wäre ein Engpassmonitoring auch für non-RX Artikel (Aktuelles Bsp. Kinder-Fiebersäfte) nicht möglich.
- Kosten für einen Umbau der bestehenden Fälschungsschutzsysteme
stehen nicht im Verhältnis zum Nutzen
Die Einführung eines Systems zur Rückverfolgung und damit Standortbestimmung von Arzneimittelpackungen (Track & Trace) hätte allein für den vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel, wie in der Folgenabschätzung der EU-Kommission im Jahr 2012 gezeigt wurde, eine erhebliche Umstellung der Betriebsabläufe, verbunden mit Investitionskosten in Höhe von ca. 625 Mio. Euro für alle EU-Großhändler, zur Folge. Gleichzeitig würde sich die Geschwindigkeit der Warenvereinnahmung und der automatisierten Kommissionierprozesse und damit die heute sehr schnelle Bereitstellung von Arzneimitteln für Apotheken erheblich reduzieren. Eine solche Umstellung wäre für den Großhandel weder finanziell noch operativ verkraftbar.
Aber selbst dann lägen keine Nachfrage-, d. h. Bedarfsdaten im System vor. Allein eine Gegenüberstellung von Bedarf und bedarfsbezogenen Verfügbarkeiten lässt aber Schlüsse zu, ob Lieferengpasssituationen vorliegen oder nicht.
- Technische Umsetzbarkeit: EU-Interoperabilität in Gefahr
Das Europäische Arzneimittelverifikationssystem (EMVS) beruht auf der Interoperabilität zwischen allen nationalen Fälschungsschutzsystemen. Jedes nationale Fälschungsschutzsystem in Europa folgt dabei derselben technischen Spezifikation. Jede einseitige technische und operative Änderung des securPharm-Systems in Richtung eines Monitoringsystems bzw. eines Systems zur Rückverfolgung von Arzneimittelpackungen würden diese Interoperabilität unterbinden und securPharm aus dem europäischen Fälschungsschutznetzwerk herausnehmen.
- Drittinteressen an Daten aus den Fälschungsschutz-Systemen
Zudem verweisen wir mit Blick auf den im Berufungsverfahren anhängigen Rechtsstreit der Orifarm Trading GmbH & Co. KG und der Orifarm Group A/S gegen den securPharm e. V. bezüglich der Bereitstellung von Berichtsdaten aus dem securPharm-System für pharmazeutische Unternehmer auf erhebliche Drittinteressen der Pharmaindustrie zur über den Fälschungsschutz hinausgehenden Nutzung von Daten aus den nationalen, aber auch aus dem europäischen, Fälschungsschutzsystemen in Richtung einer dadurch möglichen industrie- seitigen Marktüberwachung und Vertriebssteuerung.
- Fokussierung auf alternative Lösungsansätze
Vor diesem Hintergrund empfiehlt der PHAGRO dringend die Übermittlung von „Real-world“ Daten der tatsächlich verfügbaren Lagerbestände pharmazeutischer Unternehmer auf dem jeweiligen nationalen Markt an das BfArM. Arzneimittelgroßhandlungen können zusätzlich Verfügbarkeitsdaten auf Produktebene (ja/nein) – wie sie heute bereits für bestimmte versorgungskritische Wirkstoffe an das BfArM gemeldet werden – und zusätzlich sogenannte Servicelevelinformationen – d. h. Informationen darüber, in welchem Umfang Bestellungen des Großhandels von der Industrie bedient werden – zur Verfügung stellen.
Diese Markt- bzw. Verfügbarkeitsinformationen liefern wertvolle frühzeitige Informationen, ob eine kontinuierliche Arzneimittelversorgung gefährdet ist. Modelle zur Nachfragevorhersage und -bedarfsermittlung, die auf elektronischen Verschreibungsdaten / Apothekenbestellungen basieren, und derzeit bereits vom BfArM beigezogen und genutzt werden, können bei der letztlich notwendigen Analyse der erhaltenen Datenpakete helfen, um auf nationaler Ebene zu ermitteln, ob das Angebot der derzeitigen und prospektiven Nachfrage entspricht.
Zu Artikel 2 Nummer 6 lit. b) aa) Erweiterung der Bevorratungspflichten
Der PHAGRO hält die vorgesehenen Maßnahmen zur Einführung einer angemessenen und kontinuierlichen Bevorratung von rabattierten Arzneimitteln auf der Ebene der Rabattvertragspartner auf Seiten der pharmazeutischen Unternehmer für zielführend. Dies sollte durch eine generelle Informationspflicht des pharmazeutischen Unternehmers an seine Kunden ergänzt werden, mit der dieser mit einem Vorlauf von drei Monaten verpflichtet wird, dem Großhandel (und Apotheken) mitzuteilen, welcher Artikel zu diesem Zeitpunkt aus dem Rabattvertrag ausscheidet.
Vorschläge, der vollversorgende pharmazeutische Großhandel solle insbesondere (alle) versorgungskritischen oder gar alle versorgungsrelevanten Arzneimittel für einen längeren Zeitraum als für den derzeit gesetzlich vorgesehenen Bedarf von zwei Wochen (§ 52b Abs. 2 S. 2 Halbs. 2 AMG) vorhalten, um Engpässe abzufedern, laufen ins Leere, wenn der Großhandel von pharmazeutischen Unternehmern nicht oder nur in nicht bedarfsgerechten Mindermengen beliefert oder der Großhandel beim Vertrieb durch pharmazeutische Unternehmer bewusst umgangen wird.
Darüber hinaus bedeutet jede Vertiefung der Lagerhaltung, dass der Großhandel gezwungen ist, in der aktuellen Hochzinsphase mehr Fremdkapital für Lager, Risiko und Reichweite aufzuwenden. In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass die Liste der sogenannten versorgungsrelevanten Arzneimittel des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ca. 34.000 Arzneimittelhandelsformen (Pharmazentralnummern) und damit mehr als die Hälfte aller verschreibungspflichtigen Arzneimittel in Deutschland umfasst. Von diesen Arzneimitteln werden jährlich weit über 500 Millionen Packungen durch die PHAGRO-Mitgliedsunternehmen an Apotheken ausgeliefert. Eine umfängliche präventive Bevorratung allein dieser Arzneimittel würde den Bau und Betrieb neuer Arzneimittelläger mit Investitionskosten im dreistelligen Millionenbereich erfordern, da die heutigen Niederlassungen den derzeit gesetzlich geforderten und tatsächlichen Bestell- und Bestandsanforderungen entsprechen und grundsätzlich keine nennenswerten freien Kapazitäten vorhanden sind.
Darüber hinaus weisen wir darauf hin, dass der pharmazeutische Großhandel nicht nur die kontinuierliche Versorgung der 18.000 Apotheken in Deutschland sichert, sondern auch die Vorfinanzierung der GKV-Ausgaben für Arzneimittel Monat für Monat. Denn die Großhandlungen gewähren Apotheken beim Verkauf von erstattungsfähigen Arzneimitteln häufig lange Zahlungsziele, bis diese ihr Geld von den Krankenkassen erhalten. Vollversorger finanzieren so in der Arzneimittelversorgung rund 4,4 Milliarden Euro pro Jahr vor und sichern damit die Zahlungsströme. Diese Leistung angesichts von bereits stark gestiegenen Zinsen und enorm steigenden Löhnen mit einer konstanten Vergütung aufrecht zu erhalten, erscheint unmöglich.
Vor diesem Hintergrund bedeutet eine Vertiefung der Lagerhaltung für den Großhandel, dass dieser gezwungen wäre, in der aktuellen Hochzinsphase noch mehr Fremdkapital für Lager, Risiko und Reichweite aufzuwenden. Dieses Vorhaben wäre ohne eine vollständige staatliche Kostentragung inkl. der Übernahme des damit einhergehenden unternehmerischen Risikos wirtschaftlich unmöglich zu bewerkstelligen. Der Großhandel hält schon jetzt, bei seit Jahren sinkenden Margen, einen wertmäßigen Lagerbestand von mehr als 2 Mrd. Euro an Arzneimitteln vor. Würde die gesetzliche Lagerhaltungstiefe von beispielsweise zwei auf vier Wochen erhöht werden, überträfen allein die Fremdkapitalkosten angesichts des aktuellen hohen Zinsniveaus die derzeitige Ertragslage der PHAGRO-Mitgliedsunternehmen. Eine solches Vorhaben wäre für die PHAGRO-Mitgliedsunternehmen finanziell unmöglich zu bewerkstelligen.
Der PHAGRO unterstützt daher den Vorschlag, die bestehende gesetzliche Vorhaltungsverpflichtung von Apotheken (1 Woche) und Großhandel (2 Wochen) mit einer vertieften Lagerhaltungsverpflichtung seitens der pharmazeutischen Unternehmer, beginnend im Rahmen der Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 S. 1 SGB V, von einem durchschnittlichen 3 Monatsbedarf zu flankieren.
- Zu Artikel 5 Nummer 1 und 2 – Änderung der Arzneimittelpreisverordnung
Der PHAGRO begrüßt die Anerkennung des Gesetzgebers, dass die zunehmende Anzahl von Lieferengpässen nicht nur in den Apotheken, sondern auch beim pharmazeutischen Großhandel zusätzliche Aufwände verursacht, die bislang nicht in der Vergütung berücksichtigt wurden.
Die gesetzliche Großhandelsvergütung gemäß § 2 Absatz 1 AMPreisV stellt eine Mischkalkulation dar und soll grundsätzlich sämtliche Tätigkeiten und Aufwände des Großhandels, die mit der Beschaffung, Lagerung, dem Transport und der Abgabe von Arzneimitteln an Apotheken verbunden sind, berücksichtigen.
Die heutigen lieferengpassbedingten Kontingentierungen oder schlimmstenfalls Lieferausfälle der pharmazeutischen Industrie verursachen im vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel erhebliche zusätzliche Aufwände, die auf der Grundlage der seit 2012 gültigen und seitdem unveränderten Mischkalkulation nicht gegenfinanziert und im Jahre 2012 nicht einkalkuliert gewesen sind.
Großhandlungen erschließen in Lieferengpasssituationen neue Beschaffungswege, erhöhen – falls möglich – punktuell ihre Lagerbestände, passen ihre Bestell- und Lieferalgorithmen an und entwickeln neue Verteillogiken, um Apothekenbestellungen und deren Bedarfe fair zu beliefern und Fehlallokationen zu vermeiden.
Mittels ihres aufwändigen Lager- und Liefermanagements können Großhandlungen wenigstens einen Teil der Bestellungen der Apotheken bedienen und eine möglichst faire und flächendeckende Verteilung von Mindermengen ermöglichen.
Der PHAGRO begrüßt daher grundsätzlich, dass die Bundesregierung die hohen Aufwände des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels und seine zentrale Rolle für die Sicherstellung einer fairen und flächendeckenden Verteilung von knappen Medikamenten zur Abmilderung der Auswirkungen von Lieferengpässen für Patientinnen und Patienten erstmals anerkennt und diese Aufwände gesondert und zielgerichtet vergüten möchte.
Der im Gesetzesentwurf vorgesehene Lösungsweg, im Falle eines Austauschs eines verordneten Arzneimittels durch die Apotheke nach § 129 Absatz 2a) SGB V (Neu) durch den Großhandel ergänzend zu den Zuschlägen nach Absatz 1 einen Zuschlag von 50 Cent zuzüglich Umsatzsteuer zu erheben, ist jedoch ungeeignet, dass o. g. Ziel zu erreichen, da diese Zuschlagserhebung das Gebot der Gleichpreisigkeit unterminieren würde und unberücksichtigt lässt, dass der Großhandel im Zeitpunkt der Abgabe des Arzneimittels an die Apotheke nicht wissen kann, ob diese dieses Arzneimittel als Austauscharzneimittel auf der Grundlage von § 129 Absatz 2a) SGB V (Neu) abgibt.
Aus diesem Grunde schlagen wir vor, dass der Vergütungsbeitrag für den Großhandel in Höhe von 50 Cent von der Apotheke zusätzlich zu den 50 Cent Vergütungsbeitrag für die Apotheke aufgeschlagen und an den Großhandel gesondert abgeführt werden soll. Hierzu können sich die Apotheken ihrer Rechenzentren bedienen. Da der Gesetzentwurf über § 129 Abs. 2a) SGB V (Neu) nur vollversorgende Großhandlungen als Empfänger der Sondervergütung vorsieht, eine individuelle Zuweisung an Großhandlungen aus den gezeigten Gründen unmöglich ist, schlägt der PHAGRO die Einrichtung einer schlanken Verrechnungsstelle vor, mittels derer eine unbürokratische und kostengünstige Verteilung der Zuschläge gemäß eines Verteilschlüssels auf die vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlungen erfolgen kann.
Vor diesem Hintergrund schlägt der PHAGRO folgende Formulierung und Neufassung von § 2 Abs. 1a) AMPreisV (Neu) vor:
„Im Fall eines Austauschs eines verordneten Fertigarzneimittels durch die Apotheke nach § 129 Absatz 2a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch erhält der Großhandel nach § 52b Absatz 2 Satz 2 des Arzneimittelgesetzes ergänzend zu den Zuschlägen nach Absatz 1 einen Sicherstellungszuschlag von 50 Cent zuzüglich Umsatzsteuer. Ein Zusammenwirken der Großhandlungen nach § 52b Absatz 2 Satz 2 des Arzneimittelgesetzes bei der Errichtung und Verwaltung einer Verrechnungsstelle zur Vereinnahmung und Verteilung des Sicherstellungszuschlags ist zulässig; in diesem Fall haben sie eine juristische Person als Träger der Verrechnungsstelle zu bestimmen. Großhandlungen können die Verrechnungsstelle zur Vereinnahmung des Sicherstellungszuschlags in Anspruch nehmen, wenn sie die Anforderungen des § 52b Absatz 2 Satz 2 des Arzneimittelgesetzes erfüllen und sie am Träger nach Satz 2 beteiligt sind oder die Verrechnungsstelle beauftragen. Die Verrechnungsstelle steht unter der unabhängigen Aufsicht und Verwaltung eines vereidigten Wirtschaftsprüfers. Der Träger der Verrechnungsstelle hat dem Bundesministerium und den gesetzlichen Kranken-kassen auf Verlangen die Rechnungslegung der Verrechnungsstelle offenzulegen.“
Diese Regelung mit einer Ergänzung von § 3 Abs. 1a) AMpreisV (Neu) wie folgt flankiert werden:
„(1a) Im Fall eines Austauschs eines verordneten Fertigarzneimittels nach § 129 Absatz 2a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch durch die Apotheke sind zur Berechnung des Apothekenabgabepreises zuzüglich zum Festzuschlag nach Absatz 1 Satz 1 ein Zuschlag in Höhe von 50 Cent zuzüglich Umsatzsteuer zuzüglich des Sicherstellungszuschlags nach § 2 Absatz 1a zu erheben. Die Sicherstellungszuschläge sind mit dem Großhandel nach § 52b Absatz 2 Satz 2 des Arzneimittelgesetzes abzurechnen; dies hat über die Verrechnungsstelle nach § 2 Absatz 1a Satz 3 zu erfolgen, soweit der Großhandel diese in Anspruch nimmt. Die Apotheke kann zur Erfüllung dieser Verpflichtung ein Rechenzentrum nach § 300 Absatz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch in Anspruch nehmen.“
Begründung:
Die Bezeichnung des Zuschlags als „Sicherstellungszuschlag“ knüpft an den besonderen Aufwand an, den der Großhandel durch seine Einbeziehung in die Bewältigung von Lieferengpässen und den Austausch bei Nichtverfügbarkeit verordneter Arzneimittel zu tätigen hat. Dies dient der Sicherstellung einer angemessenen und kontinuierlichen Bereitstellung der Arzneimittel für den Bedarf von Patienten der mit dem Großhandel nach § 52b Abs. 2 S. 2 AMG in Geschäftsbeziehung stehenden Apotheke.
An die Stelle von „ist durch den Großhandel […] zu erheben“ tritt die Formulierung „erhält der Großhandel“. Dadurch wird festgelegt, dass der Großhandel im Fall eines Austauschs eines verordneten Fertigarzneimittels aufgrund der Nichtverfügbarkeit durch die Apotheke einen Anspruch auf den neuen Zuschlag nach Absatz 1a für das anstelle des verordneten Arzneimittels abgegebene hat.
Dieser Zuschlag ist jedoch nicht bei Abgabe an Apotheken auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zu erheben, da zum Zeitpunkt der Lieferung und Rechnungstellung an die Apotheke durch den Großhandel noch nicht feststeht, ob das Arzneimittel nach § 129 Abs. 2a) SGB V (Neu) als Substitut für ein anderes verordnetes Arzneimittel abgegeben werden wird. Die Erhebung erfolgt daher erst bei der Berechnung des Apothekenabgabepreises durch die austauschende Apotheke. Der Zuschlag nach Absatz 1a geht dementsprechend nicht in den Betrag nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ein, sondern wird dem Großhandel nachträglich nach § 3 Absatz 1a gutgeschrieben.
Erlaubt werden soll das Zusammenwirken der vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlungen zur Errichtung und Verwaltung einer gemeinsamen Verrechnungsstelle zur Vereinnahmung und Verteilung der Zuschläge nach § 2 Abs. 1a S. 1 AMPreisV. Sie haben hierfür eine juristische Person als Träger der Verrechnungsstelle zu bestimmen. Die Formulierung ist § 8 Abs. 1 S. 3 des Verpackungsgesetzes entlehnt.
Die gemeinsame Vereinnahmung und wettbewerbsneutrale Verteilung der Zuschläge ist geboten, da die Zuordnung eines ausgetauschten Arzneimittels zu einem spezifischen Großhändler nur mit einem unverhältnismäßigen technischen und wirtschaftlichen Zusatzaufwand zu realisieren wäre und die bedarfsgerechte Bereitstellung der Arzneimittel erheblich erschweren würde. Im Zeitpunkt der Abgabe des betreffenden Arzneimittels durch den Großhandel an die Apotheke können weder der Großhandel noch die Apotheke tatsächlich und/oder technisch wissen, ob das abgegebene Arzneimittel zur Substitution genutzt werden wird.
Um die Wettbewerbsneutralität und Vertraulichkeit der Aufgabenerfüllung zu gewährleisten, steht die Verrechnungsstelle unter der Aufsicht und Verwaltung eines vereidigten Wirtschaftsprüfers.
Die von den vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlungen getragene Verrechnungsstelle soll eine unbürokratische und kostengünstige Verteilung der Zuschläge auf die vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlungen ermöglichen. Die bei der Errichtung und Verwaltung der verrechnungsstelle entstehenden Ausgaben werden dabei aus den vereinnahmten Zuschlägen gedeckt. Die Formulierung ist der Regelung des Notdienstfonds nach § 18 Abs. 2 S. 1 Apothekengesetz entlehnt, ohne jedoch die dort erfolgte Beleihung des Trägers der Verrechnungsstelle zu übernehmen.
Der Träger der Verrechnungsstelle ist dem Bundesministerium und den gesetzlichen Krankenkassen im Hinblick auf die Verwaltung des Fonds rechnungslegungspflichtig. Dieser Satz ist ebenfalls § 18 Abs. 3 S. 2 Apothekengesetz entlehnt.
Die daraus notwendig werdende Ergänzung von § 3 Abs. 1a) AMPreisV (Neu) stellt klar, dass die beiden Zuschläge nach § 2 Abs. 1a und § 3 Abs. 1a AMPreisV (Neu) zusätzlich zur Zuschlagsregelung des § 3 Absatzes 1 Satz 1 AMPreisV in die Berechnung des Apothekenabgabepreises eingehen.
Ergänzend dazu muss die Verpflichtung der Apotheke geregelt werden, die erhobenen Sicherstellungszuschläge mit dem Großhandel abzurechnen. Im Falle des Bestehens der Verrechnungsstelle ist der Zuschlag nach § 2 Abs. 1a) AMPreisV (Neu) durch die Apotheke mit dieser abzurechnen. Die Apotheke kann dazu ihr Rechenzentrum in Anspruch nehmen. Durch die Abrechnung im direkten Verhältnis zwischen Verrechnungsstelle und Rechenzentrum kann gewährleistet werden, dass die Gutschrift des Zuschlags mit möglichst geringem bürokratischem Aufwand erfolgen kann.
- Stärkung der Versorgungssicherheit über den vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel – Sicherung der bestehenden Infrastruktur
Die Infrastruktur des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels ist seit Jahren aufgrund der seit dem Jahr 2012 nicht mehr angepassten und nicht mehr ausreichenden Großhandelsvergütung gemäß Arzneimittelpreisverordnung staatlich unterfinanziert. Zeitgleich sind die Aufwände des Großhandels enorm gestiegen. Alle aktuellen Sondermaßnahmen zur Sicherstellung einer kontinuierlichen Arzneimittelversorgung der Patienten, angefangen bei der Beschaffung und beim Lager- und Liefermanagement, nicht zuletzt die Transparenz- und Monitoringmaßnahmen, werden vom Gesetzgeber bislang nicht anerkannt, d. h. konkret: nicht vergütet. Da kurzfristig nicht mit einem Abnehmen von Lieferengpässen bei Arzneimitteln zu rechnen ist, darf eine ausreichende finanzielle Absicherung der noch bestehenden Infrastruktur der Vollversorger als erste notwendige Maßnahme nicht aus dem Fokus geraten. Das gesetzliche Vergütungsmodell für den Großhandel gemäß § 2 Abs. 1 AMPreisV gilt seit 2012 und wurde auf der Basis von Daten aus dem Jahre 2010 vom Gesetzgeber festgelegt. Es berücksichtigt weder die Strukturveränderungen im Arzneimittelmarkt – insbesondere die erhebliche Zunahme hochpreisiger Arzneimittel, die in Verbindung mit der seit 2012 geltenden Kappungsgrenze von 37,80 Euro zu immer niedrigeren Margen im Pharmagroßhandel führt – noch die erheblichen Kostensteigerungen der vergangenen zehn Jahre aufgrund immer neuer regulatorischer Auflagen durch bspw. die GDP-Leitlinien oder zum Fälschungsschutz. Zusätzlich zu Mehrkosten durch Mindestlohn oder die exorbitanten Kostensteigerungen bei der Energie- und Fremdkapitalbeschaffung kommen nun noch die Aufwendungen zum Lieferengpassmanagement und zur Lieferengpassvermeidung. Aus diesem Grund besteht aus der Sicht des PHAGRO und seiner Mitgliedsunternehmen dringender Handlungsbedarf bei der gesetzlichen Großhandelsvergütung.