Lieferengpässe von Arzneimitteln: aktuelle Standpunkte


Lieferengpass-Situationen werden immer zahlreicher und haben stellenweise dramatische Ausmaße angenommen. Die Bundesregierung hat die Thematik nunmehr kurzfristig auf die Agenda gesetzt: Ende Januar hat der Ausschuss für Gesundheit in einem ersten Schritt Vertreter der Industrie, Apotheken, Krankenkassen und des pharmazeutischen Großhandels zu einem Fachgespräch geladen, um gemeinsam Lösungsansätze zur Vermeidung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln und Blutplasma zu diskutieren.

Als Drehkreuz zwischen pharmazeutischen Unternehmern und Apotheken befinden sich vollversorgende pharmazeutische Großhandlungen an einer zentralen Position in der Versorgungskette und tragen im besonderen Maße dazu bei, die Versorgung mit Arzneimitteln trotz bestehender Lieferengpässe soweit wie möglich sicherzustellen.

Lieferengpassbedingte Kontingentierungen oder schlimmstenfalls Lieferausfälle der
pharmazeutischen Industrie versucht der Großhandel mittels eines aufwändigen Lager- und Liefermanagements abzufedern. Häufig müssen andere als die üblichen Beschaffungswege direkt vom pharmazeutischen Unternehmer, zum Beispiel über andere Inhaber einer Großhandelserlaubnis, gefunden werden, um die Versorgung aufrecht erhalten zu können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der pharmazeutischen Großhandlungen tun, was in Ihrer Macht steht. Aber der Großhandel kann im Ergebnis immer nur das lagern und ausliefern, was die pharmazeutische Industrie liefert. Pharmazeutische Großhändler geben eingegangene Ware, erst recht im Falle von Lieferengpässen, sofort in den Markt, um wenigstens einen Teil der Bestellungen der Apotheken bedienen und eine faire und möglichst flächendeckende Verteilung von Mindermengen ermöglichen zu können. Somit sorgt der vollversorgende pharmazeutische Großhandel in Erfüllung seines gesetzlichen Sicherstellungsauftrages über sein bundesweites und flächendeckendes Niederlassungsnetz für eine bestmögliche Verteilung der knappen Medikamente.

Ein weiteres wichtiges Element im Engpassmanagement stellt ein verlässliches Monitoring der Versorgungslage dar. Der PHAGRO trägt in enger und erfolgreicher Zusammenarbeit mit den Bundesoberbehörden BfArM (u.a. im Lieferengpass-Beirat) und PEI (im Jour Fixe Lieferengpässe) zur Aufklärung der Versorgungslage mit versorgungskritischen Arzneimitteln durch Informationen über die Verfügbarkeiten versorgungskritischer Arzneimittel in seinen Niederlassungen bei. Damit stellen die vollversorgenden pharmazeutischen Großhandlungen bereits jetzt wertvolle Informationen zur Verfügung, mit denen drohende Lieferengpässe besser erkannt und – bei Bedarf und im öffentlichen Interesse – Transparenz über noch verfügbare Bestände geschaffen werden kann.

Um Lieferengpässe zu reduzieren oder zumindest abzumildern, bieten sich mehrere Perspektiven

1.) Ausweitung des Monitorings

Aus unserer Sicht müssen alle Akteure der Arzneimittellieferkette in die Meldung von Bestands- und Verfügbarkeitsdaten einbezogen werden, um eine valide Datenbasis zur Einschätzung der Versorgungslage zu schaffen. Der „Ausbau“ von SecurPharm als Monitoringinstrument ist aus der Sicht des PHAGRO dafür jedoch der falsche Weg, da weder sämtliche apothekenpflichtige Produkte Sicherheitsmerkmale tragen noch das bestehende System der „End to End Verifizierung“ technisch geeignet ist, transparent zu machen, welches Arzneimittel sich zu welchem Zeitpunkt und an welcher Stelle im Markt befindet.

2.) Lagerhaltungsverpflichtungen

Vorschläge, der pharmazeutische Großhandel solle, insbesondere alle unentbehrlichen und versorgungskritischen, Arzneimittel für einen längeren Zeitraum als für den gesetzlich vorgesehenen Bedarf von zwei Wochen vorhalten, um Engpässe abzufedern, laufen ins Leere, wenn der Großhandel von pharmazeutischen Unternehmern nicht oder in nicht bedarfsgerechten Mindermengen beliefert oder der Großhandel beim Vertrieb durch pharmazeutische Unternehmer sogar bewusst umgangen wird. Wir unterstützen daher den Vorschlag, die gesetzliche Vorhaltungsverpflichtung von Apotheken und Großhandel mit einer vertieften Lagerhaltungsverpflichtung der pharmazeutischen Unternehmer zu flankieren.

3.) Absicherung der bestehenden Infrastruktur

Die Infrastruktur des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels ist seit Jahren staatlich unterfinanziert, zeitgleich sind die Aufwände des Großhandels lieferengpassbedingt enorm gestiegenen. Alle Sondermaßnahmen zur Sicherstellung einer kontinuierlichen Arzneimittelversorgung der Patienten, angefangen bei der Beschaffung und beim Lager- und Liefermanagement, nicht zuletzt die Transparenz- und Monitoringmaßnahmen, werden vom Gesetzgeber bislang nicht anerkannt, d.h. konkret: nicht vergütet. Da kurzfristig nicht mit einem Abnehmen von Lieferengpässen bei Arzneimitteln zu rechnen ist, darf eine ausreichende finanzielle Absicherung der noch bestehenden Infrastruktur als präventive Maßnahme nicht aus dem Fokus geraten.