Pharmazeutischer Großhandel wehrt sich gegen Pfizer-Modell


Mit einem völlig neuen Distributionssystem will Pfizer, der weltweit größte Hersteller von Arzneimitteln, in Deutschland Kontrolle über den Markt bekommen. Die 16 im Bundesverband PHAGRO zusammengeschlossenen Großhandlungen lehnen den Vorstoß von Pfizer mit guter Begründung ab.

Die Versorgung von Patienten mit Arzneimitteln ist Aufgabe der über 21.000 Apotheken. Dieser öffentliche Versorgungsauftrag kann erfüllt werden, weil sich durch den bestehenden Wettbewerb ein hervorragend ausgebildetes Distributionsnetz vom Pharmahersteller bis zum Patienten entwickelt hat. Für den Patienten fast unbemerkt spielt dabei der pharmazeutische Großhandel eine unverzichtbare Rolle. Trotz der großen Anzahl von Medikamenten und der Vielzahl von Herstellern garantieren die im PHAGRO zusammengeschlossenen pharmazeutischen Großhandlungen allen Apotheken eine zeitnahe und kontinuierliche Belieferung. Denn als Vollversorger halten sie nahezu alle Arzneimittel vorrätig und ihr Sortiment ist herstellerneutral zusammengestellt. Das heißt es ist nicht abhängig von der Bedeutung des einzelnen Herstellers oder Arzneimittels. Damit wird die Therapiefreiheit von Ärzten ebenso unterstützt wie der Versorgungsauftrag der öffentlichen Apotheken. Nur diese Neutralität garantiert den erwünschten Wettbewerb auf der Herstellerebene. Angebotsvielfalt, Innovationen und auch Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen sind die erwünschten Folgen dieses Wettbewerbs.

Dieses gut funktionierende System möchte die Firma Pfizer durch ihr neues Distributionsmodell ersetzen. Dementsprechend will Pfizer als Hersteller im Besitz der Ware bleiben, bis sie in der Apotheke übergeben wird. Der Großhandel soll nach Anweisungen von Pfizer nur noch als reiner Logistiker fungieren. Pfizer verspricht sich durch eine lückenlose Dokumentation des Warenflusses eine umfassende Kontrolle über den Verbleib ihrer Ware bis hin zur Apotheke.

Begründet wird dies von Pfizer einmal mit der Sicherstellung der Belieferung deutscher Patienten, weil man vermutet, dass über Großhandel und Apotheken ein Teil der ausgelieferten Waren in Länder verkauft werden, in denen einzelne Produkte höhere Marktpreise haben. Das ist legal und sowohl aus deutscher als auch europäischer Sicht sogar wesentlicher Bestandteil der Gesundheits- und Wettbewerbspolitik. Zum anderen sollen immer mehr Fälschungen von Arzneimitteln auf dem deutschen Markt auftauchen, was aber bisher durch Beispiele nicht belegt werden konnte.

Tatsache ist allerdings, dass mit dem Pfizer-Modell eine absolute Transparenz über die täglichen Bezugsmengen jeder Apotheke entstehen würde. Der Rückschluss auf die arzneimittelbezogenen Verordnungen von Arztpraxen wäre dann nachvollziehbar. Hierdurch würde der heute bestehende Wettbewerb ungerechtfertigt beeinträchtigt und einem Hersteller ein einseitiger Vorteil verschafft.

Mit dem Modell wird nicht nur die Funktion des Großhandels als Vollversorger ausgeschaltet, sondern das gesamte bewährte System der Arzneimittelversorgung ins Wanken gebracht. Jeder Eingriff in ein bestehendes Gefüge sollte erst nach sorgfältiger Abwägung der Vor- und Nachteile für die Gesamtversorgung aller Patienten mit Arzneimitteln erfolgen. Er darf nicht einem Unternehmen nutzen, der Allgemeinheit aber höhere Kosten aufbürden.

Der Bundesverband PHAGRO lehnt deshalb mit aller Entschiedenheit die Vorschläge der Firma Pfizer ab. Er ist jedoch jederzeit bereit, sofern es eine Notwendigkeit aus Sicht der Hersteller gibt, gemeinsam unter Einbeziehung der Apothekerverbände über Lösungen zur Verbesserung des Systems zu sprechen, nicht aber über die totale Abschaffung der besonderen Aufgaben des pharmazeutischen Großhandels. Arzneimittel sind eben keine Waren, die von Logistikern beliebig gehandelt werden können, dazu ist die Verantwortung gegenüber dem einzelnen Patienten zu groß.