Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz


Der Bundesverband PHAGRO e. V. begrüßt den Willen des Bundesministeriums für Gesundheit, Arzneimittellieferengpässe und daraus resultierende Versorgungsengpässe zu bekämpfen. Lieferengpässe beschränken die bedarfsgerechte und kontinuierliche Belieferung der Apotheken mit allen nachgefragten Arzneimitteln, beunruhigen die Patienten in erheblichem Maße und beeinträchtigen im schlimmsten Fall die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung und gefährden die Gesundheit der Patienten in Deutschland.

Der Bundesverband PHAGRO stellt jedoch fest, dass die vom Gesetzgeber vorgeschlagenen und den vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel betreffenden Maßnahmen nicht geeignet sind, Lieferengpässe zu bekämpfen oder zu verhindern. Die Vorschläge sind allenfalls geeignet, zu größerer Transparenz und verbesserter Kommunikation in der Lieferkette beizutragen.

Bereits heute verursachen Lieferengpässe im vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel einen erheblichen Mehraufwand. Die Mitgliedsunternehmen des PHAGRO müssen im Falle von Lieferengpässen fortlaufend ihre Arzneimittellager je nach Verfügbarkeit und Nachfrage anpassen und regionale Verfügbarkeitsdefizite, z. B. durch bundesweite Nachttransporte, ausgleichen. Großhandlungen müssen darüber hinaus mit ihren Lieferanten, den pharmazeutischen Unternehmern, in aufwendigen Kommunikations- und Logistikprozessen Lieferengpasssituationen vorbeugen und / oder diese auszugleichen versuchen. Dieses Lieferengpassmanagement muss großhandelsseitig gegenüber den Kunden, den Apotheken, umgesetzt werden, um eine bestmögliche Versorgung der Apotheken und damit der Patienten zu gewährleisten.

Der vorliegende Änderungsantrag zu § 52b Absätze 3b bis 3e (neu) Arzneimittelgesetz (AMG) stellt auf die Herstellung von Transparenz und behördlichen Maßnahmen zur Lagerung und Verteilung (Kontingentierung) von Arzneimitteln im Falle eines drohenden oder bestehenden versorgungsrelevanten Lieferengpasses ab. Die tatsächlichen Ursachen von Lieferengpässen bleiben hingegen unangetastet. Effektive Maßnahmen zur Bekämpfung von Lieferengpässen sind komplex und bedürfen aufgrund ihres Eingriffscharakters einer Prüfung der Geeignetheit der einzelnen Maßnahme sowie der Zumutbarkeit und Angemessenheit für die von der Anordnung betroffenen Wirtschaftskreise.

Maßnahmen, wie die Anordnung der Erhöhung von Lagerbeständen, wirken kontraproduktiv, da sie eine übermäßige und damit unverhältnismäßige Bevorratungspraxis in der gesamten Lieferkette verursachen und den bereits jetzt schon bestehenden hohen Kostendruck im Arzneimittelbereich nur weiter erhöhen werden. Behördlich veranlasste Anordnungen zur Erhöhung von Lagerbeständen oder zu verpflichtenden Kontingentierungen werden die Problematik regionaler und wirkstoffbezogener Versorgungsdefizite eher potenzieren als mindern.

Zu Art. 0 Nr. 3 – Änderung des Arzneimittelgesetzes § 52b Abs. 3b bis 3e AMG (neu)

zu § 52b Abs. 3b + 3c AMG (neu)

Der PHAGRO begrüßt, dass beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein Beirat zur Beobachtung und Bewertung der Versorgungslage mit Humanarzneimitteln unter Verbandsbeteiligung des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels mit einem öffentlich-rechtlichen Auftrag eingerichtet wird.

Die Erarbeitung und Veröffentlichung einer aktuellen Liste versorgungsrelevanter und versorgungskritischer Wirkstoffe nach Anhörung des Beirates halten wir für sinnvoll, weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass aus der Sicht des pharmazeutischen Großhandels hierfür die jeweiligen betroffenen Pharmazentralnummern (PZN) benannt werden müssen, um eine produktgenaue Identifizierung der betroffenen Arzneimittel frühzeitig auf der Ebene von Großhandel und Apotheke vornehmen zu können.

Die vollversorgenden pharmazeutischen Großhändler in Deutschland beteiligen sich über ihren Bundesverband PHAGRO bereits jetzt aktiv am „Jour Fixe“ des BfArM zum Thema „Lieferengpässe“, und haben in der Vergangenheit im Einzelfall unverzüglich Informationen über Bestände lieferengpassbetroffener oder -gefährdeter Arzneimittel auf der Ebene des vollversorgenden Großhandels kumuliert an das BfArM übermittelt. Dies geschah und geschieht stets im Bewusstsein der kritischen kartellrechtlichen Rahmenbedingungen. Alle Beteiligten des Jour Fixe haben in konstruktiver Art und Weise gemeinsam zu einer Verbesserung der Versorgungssituation beitragen können.

zu § 52b Abs. 3d AMG (neu)

Der PHAGRO hält insbesondere die Möglichkeit, dass die zuständige Bundesoberbehörde im Falle eines drohenden oder bestehenden versorgungsrelevanten Lieferengpasses Anordnungen zur Lagerhaltung und Kontingentierung von Arzneimitteln treffen kann, für die Großhandelsebene für nicht zielführend. In der Vergangenheit haben gerade Mitteilungen über drohende Lieferengpässe zu Überbevorratungen bei einzelnen Marktakteuren geführt, die die Verteilung der ohnehin kaum oder nicht mehr erhältlichen Artikel auf Großhandelsebene nur noch weiter gefährden.

Die Erfahrung zeigt zudem, dass sowohl bereits bei drohenden als auch insbesondere bei bestehenden versorgungsrelevanten Lieferengpässen die relevanten Arzneimittel kaum oder nicht mehr verfügbar sind. Bereits heute ist der pharmazeutische Großhandel vielfach von Kontingentierungen oder gänzlich ausbleibenden Lieferungen pharmazeutischer Unternehmer betroffen. Isolierte Anordnungen zur Lagerhaltung oder Kontingentierung beim Großhandel würden daher aufgrund mangelnder Lieferfähigkeit der pharmazeutischen Industrie ins Leere laufen.

Keine Alternative kann es sein, die Lagertiefe von Arzneimitteln ohne versorgungsrelevanten und nachgewiesenen Lieferengpass in einem größeren Umfang und zeitlich unbefristet zu erhöhen, da eine solche Maßnahme wirtschaftlich unvertretbar und versorgungspolitisch unnötig wäre.

Die Läger des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels sind auf die erforderlichen regulatorischen Anforderungen, die Nachfrage der Apotheken und auf Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte hin eingerichtet und weisen grundsätzlich keine nennenswerten freien Kapazitäten auf. Eine vertiefte Lagerhaltung wäre deshalb nicht nur mit unverhältnismäßigen logistischen Aufwänden, sondern auch mit immensen Kosten verbunden, da viele Arzneimittellager neu errichtet und betrieben werden müssten. Dies kann der Großhandel mit seiner heutigen Vergütung gemäß Arzneimittelpreisverordnung und angesichts der bisher vom Verordnungsgeber nicht ausgeglichenen Mehrkosten aufgrund gesetzlicher Vorgaben wie z. B. der EU-GDP-Leitlinien, der EU-Fälschungsschutzrichtlinie und der BSI-Kritisverordnung wirtschaftlich nicht mehr leisten. Eine solche Belastung würde das Verursacherprinzip ad absurdum führen.

Sollte der Gesetzgeber, trotz der vorgenannten Argumente, die Möglichkeit der Anordnung von Maßnahmen durch die Bundesoberbehörde zur Lagerhaltung von Arzneimitteln u. a. durch den pharmazeutischen Großhandel eröffnen, können aus der Sicht des PHAGRO solche Maßnahmen zur vertieften Lagerhaltung allenfalls im konkreten Einzelfall, bei einem nachweislich drohenden oder bestehenden Lieferengpass, auf PZN-, d. h. auf Produktebene, und nur in einem justitiablen zeitlich begrenzten und kalkulierbarem Umfang angeordnet werden. Dabei muss nachweislich sichergestellt sein, dass nur diese Maßnahme geeignet ist, den Lieferengpass zu verhindern oder zu beheben. Ferner dürfen damit keine zusätzlichen Kosten für den pharmazeutischen Großhandel verbunden sein, die nicht anderweitig vom Gesetz- und Verordnungsgeber ausgeglichen werden. Insofern ist bei der Anordnung derartiger Maßnahmen zwingend eine Kostenfolgeabschätzung vorzunehmen, d. h. eine einzelfallbezogene Zumutbarkeitsprüfung durchzuführen.

Anordnungen an den Großhandel hinsichtlich der Durchführung von Maßnahmen sowohl zur Lagerhaltung als auch zur Kontingentierung von lieferengpassbedrohten oder -betroffenen Arzneimitteln müssen in jedem Einzelfall an den Grundsätzen der Bestimmtheit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit gemessen werden. So existieren teilweise produktspezifisch komplexe Vertriebsstrukturen (z. B. Direktvertrieb) und durchaus sachlich gerechtfertigte höhere Bedarfe, z. B. bei Schwerpunktapotheken, über die dem Großhandel aber keinerlei Informationen vorliegen. Der Großhandel hat keine Möglichkeit, diese Bedarfe objektiv zu beurteilen und das Bestell- und Abgabeverhalten zu gewichten.

zu § 52b Abs. 3e AMG (neu)

Die Bundesoberbehörde kann von pharmazeutischen Unternehmern und vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlungen im Einzelfall Daten zu verfügbaren Beständen, zur Produktion und zur Absatzmenge sowie zu bestehenden und drohenden Lieferengpässen eines Arzneimittels fordern, sofern dies, insbesondere auf Grundlage der Liste versorgungsrelevanter und versorgungskritischer Wirkstoffe, zur Abwendung oder Abmilderung eines drohenden oder bestehenden versorgungsrelevanten Lieferengpasses erforderlich ist.

Die vollversorgenden pharmazeutischen Großhandlungen können der zuständigen Bundesoberbehörde wertvolle Informationen zur Verfügung stellen, mit denen drohende Lieferengpässe besser erkannt und Transparenz über noch verfügbare Bestände geschaffen werden können.

Zwingende Voraussetzung ist jedoch zum einen, dass die Daten ausschließlich auf Einzelfallanordnung und ausschließlich zur Abwendung oder Abmilderung eines drohenden oder bestehenden versorgungsrelevanten Lieferengpasses in aggregierter Form an eine neutrale Stelle geliefert werden.

Durch gesetzlich verpflichtende Mitteilungen von Bestands- und Absatzmengen dürfen für die meldenden pharmazeutischen Großhandlungen keine kartellrechtlichen Risiken entstehen, so dass sowohl die Ermächtigungsgrundlage, der konkrete Datenerhebungsanlass sowie die Art und Weise der beabsichtigten Datenerhebung und das Meldeverfahren, vor allem das Verfahren der Aggregation und Pseudonymisierung, sowie die Absicherung der Verwendung der erhobenen Daten, ausschließlich für die Zwecke der Vermeidung von Lieferengpässen seitens der zuständigen Bundesoberbehörde mit dem Bundeskartellamt abgestimmt werden sollten.

Zum anderen können diese Daten nur dann sinnvoll zur Aufklärung von drohenden oder bestehenden Lieferengpässen verwendet werden, wenn alle Akteure der Arzneimittellieferkette, die die jeweiligen betroffenen Artikel (PZN) im Sortiment führen, eingebunden werden und ihre jeweiligen Bestands- und Absatzdaten kurzfristig, zeitgleich und zeitgenau melden. Nur auf diese Weise ist eine umfassende Analyse und eine sinnvolle Auswertung der vom Großhandel gemeldeten Daten möglich und kann eine für die Ermittlung von drohenden oder bestehenden Lieferengpässen valide Datenbasis geschaffen werden.

Weiterhin ist es aus der Sicht des PHAGRO erforderlich, dass die Zuständigkeit für derartige Datenabfragen eindeutig und ausschließlich auf Seiten der Bundesoberbehörde liegt und dadurch zusätzliche Abfragen durch einzelne Länderbehörden mit divergierenden Abfrageinhalten, zeiträumen und Meldefristen zukünftig entfallen. Außerdem sollten Abfragen durch die Bundesoberbehörde standardisiert und unter Berücksichtigung der in der Lieferkette geübten Praxis der Produktidentifizierung über die Pharmazentralnummer (PZN) erfolgen.

Gleichermaßen müssen dann aber auch die Logistik-Lieferanten und Bestellplattformen von pharmazeutischen Unternehmern, die häufig die sogenannten herstellerseitig kontingentierten Artikel verteilen, in die Datenerhebung einbezogen werden. Dieselbe Pflicht muss auch für teilversorgende Großhändler und sonstige Großhandelsbetriebserlaubnisinhaber gelten, wenn sie die betroffenen Arzneimittel (PZN) vertreiben. In bestimmten Indikationsbereichen, wie z. B. der Onkologie, erfolgt ein großer Teil der Arzneimitteldistribution über sogenannte Spezialgroßhändler, die nicht vollversorgend sind, aber erhebliche Volumina in Spezialindikationen handeln.

Der PHAGRO | Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels e. V. vertritt alle 11 in Deutschland ansässigen vollversorgenden pharmazeutischen Großhandlungen, die sämtliche öffentlichen Apotheken in Deutschland herstellerneutral mit allen von Patienten nachgefragten Arzneimitteln schnell, sicher und flächendeckend versorgen.