Energiepreise verursachen Kostenexplosion im Pharmagroßhandel


Die aktuellen energiepreisbedingten Kostensteigerungen treffen den vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel in einer seit Jahren wirtschaftlich prekären Lage bis ins Mark. Die Auswirkungen der Energiepreise bedrohen das Fundament der Arzneimittelversorgung.

Ein vom PHAGRO in Auftrag gegebenes Gutachten zeigt, dass es bis Ende 2023 eine Verdoppelung der Gesamtenergiekosten im Pharmagroßhandel gegenüber dem Jahr 2020 geben wird. Trotz der Entlastungspakete der Bundesregierung und der gesetzlichen Strom- und Gaspreisbremse. Untersucht wurden die fünf Energieträger Erdgas, Heizöl, Strom, Kraftstoff, Fernwärme. Die Kosten für den Hauptenergieträger Gas werden sich 2023 sogar verdreifachen. Diese Tatsachen rütteln an der Existenz der vollversorgenden Pharmagroßhändler und bedrohen das Fundament der Arzneimittelversorgung unseres Landes.

Neben den immensen Energiekostensteigerungen schultert der Pharmagroßhandel zusätzlich seit mehreren Jahren vielfältige finanzielle und logistische Belastungen, die hauptsächlich durch immer neue gesetzliche Vorgaben der Arzneimittelpolitik verursacht sind: strenge Anforderungen an die Arzneimittelsicherheit, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, der zunehmende Anstieg kostenintensiver Arzneimittel wie kühlpflichtige Medikamente oder Betäubungsmittel, Mindestlohnsteigerungen und die aktuelle Inflation.

Die flächendeckende Distribution der Arzneimittel über den vollversorgenden Pharmagroßhandel ist das Herz unseres Versorgungssystems in Deutschland – es resilient zu halten, ist ein wichtiges Versprechen an unsere Gesellschaft. Die Kosten sind seit mehreren Jahren überproportional stark gewachsen, aber die gesetzliche Vergütung des Großhandels nach der Arzneimittelpreisverordnung ist seit über 10 Jahren nicht angepasst worden und ist längst nicht mehr leistungsgerecht. Hier muss die Politik handeln.

Eine veraltete Preispolitik verschärft die Probleme in der Arzneimittelversorgung. Diese gesetzliche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel ermöglicht es Pharmagroßhändlern nicht, wie in anderen Branchen üblich, Kostensteigerungen an nachgelagerte Handelsstufen weiterzugeben. Das stresst und belastet ein funktionierendes Versorgungssystem nachhaltig. Darunter leiden Patienten, Apotheken und auch der Pharmagroßhandel.

Der PHAGRO hat vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise und Kostenexplosion die Wirtschaftswissenschaftlerin Frau Prof. Dr. Yvonne Ziegler beauftragt, die Kosten- und Verbrauchsentwicklung der fünf wesentlichen Energieträger in den neun PHAGRO-Mitgliedsunternehmen für die Jahre 2020, 2021, 2022 und 2023 (Prognose) zu untersuchen. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Gesamtenergiekosten trotz der gesetzlichen Strom- und Gaspreisbremse im vollversorgenden Pharmagroßhandel von 2020 bis 2023 verdoppeln werden. Die Kosten für den Hauptenergieträger Gas werden sich gar verdreifacht haben. Die exorbitanten Energiepreissteigerungen werden absehbar für weitere Erlösminderungen im Großhandelsgeschäft sorgen. Allein die Mehrkosten in Höhe von 29,3 Mio. € im Jahr 2022 entsprechen 20 Prozent des Gesamtbranchenertrags. Die negativen Auswirkungen der Inflations- und Energiekostenentwicklung werden sich bis weit in das Jahr 2023 hinein weiter verschärfen. Damit stehen die Unternehmen des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels unmittelbar vor existenz- und versorgungsgefährdenden Herausforderungen.

Seit 2012 trägt der pharmazeutische Großhandel mit seiner im AMNOG gesenkten und seitdem unveränderten Spanne jährlich mit rund 200 Millionen Euro zur Entlastung der GKV-Arzneimittelausgaben bei. Seitdem musste der Pharmagroßhandel umfassende Kostensteigerungen schultern, vielfach verursacht durch neue gesetzliche und regulatorische Vorgaben.

Allein die EU-Fälschungsschutzrichtlinie und die GDP-Leitlinien machten in den letzten Jahren Investitionen von knapp 80 Millionen Euro bei zusätzlichen jährlichen Betriebskosten von ca. 30 Millionen Euro notwendig. Weitere Belastungen ergeben sich bspw. aus der BSI-KRITIS-Verordnung oder der Einführung und kontinuierlichen Anhebung des Mindestlohns. Allein die Umsetzung der mittlerweile ca. 36.000 Rabattverträge, mit denen die Gesetzliche Krankenversicherung jährlich fünf Milliarden Euro einspart (Stand Ende 2021), führt beim pharmazeutischen Großhandel zu jährlichen Betriebskosten von ca. 40 bis 50 Millionen Euro.

Zusätzlich wirken sich Strukturveränderungen im Arzneimittelmarkt auf die Kosten- und Ertragssituation aus. Zum einen steigt seit Jahren der Anteil aufwands- und damit kostenintensiver Arzneimittel wie Betäubungsmittel (BtM) und kühl- bzw. kühlkettenpflichtige Produkte überproportional stark. Zum anderen hat sich die Anzahl hochpreisiger Arzneimittel mit einem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) von mehr als 1.200 Euro, bei denen die seit dem AMNOG halbierte Kappungsgrenze (Maximalvergütung) von 37,80 Euro greift, seit 2010 mehr als verdreifacht. Das bedeutet, dass immer mehr teure Arzneimittel immer mehr Kapital bei immer niedrigeren Margen binden. Entsprechend ist seit dem Inkrafttreten des AMNOG die Großhandelsspanne gemäß AMPreisV von 5 Prozent auf nur noch 3,9 Prozent im Jahr 2022 gesunken.

Der PHAGRO ist mit dem Bundesministerium für Gesundheit und den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages im Gespräch, wie unter diesen erschwerten Umständen weiterhin eine verlässliche Erfüllung des gesetzlichen Sicherstellungsauftrages durch den pharmazeutischen Großhandel zur bedarfsgerechten und kontinuierlichen Arzneimittel- und Impfstoffversorgung gewährleistet werden kann. Die Pharmagroßhändler tun Tag und Nacht alles dafür, dass sich Patienten sorgenfrei auf Ihre Genesung konzentrieren können, anstatt schlaflose Nächte wegen der Lieferbarkeit ihrer dringend benötigten Medikamente zu haben – hierfür braucht es den so wichtigen politischen Rückenwind.