Kraftakt an der Belastungsgrenze – Pharmagroßhandel sieht seine kritische Infrastruktur in Gefahr


Der PHAGRO – Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels e.V. legt seine Kennzahlen für 2021 vor. Die vollversorgenden Großhandelsunternehmen haben in der Impfstoffkampagne mit ihrer Logistik Außergewöhnliches geleistet, obwohl das klassische Großhandelsgeschäft schon seit längerem nicht mehr ausreichend gesetzlich vergütet wird. Aber ihre dafür bereit gestellte, als „kritisch“ eingestufte, bundesweite Infrastruktur, ist in Gefahr.

„2021 haben unsere Unternehmen einen enormen Kraftakt an der Belastungsgrenze vollbracht“, fasst der PHAGRO-Vorsitzende André Blümel das vergangene Jahr zusammen. Neben der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung in Deutschland mit Arzneimitteln, stemmte die Branche mit ihren bundesweit 106 Niederlassungen die Versorgung der Bevölkerung mit COVID-19-Impfstoffen. „Dank des unermüdlichen Einsatzes der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist das auch auf beeindruckende Weise gelungen“, erklärt Blümel.

Die gesamte Impfstofflogistik, mit der es dem pharmazeutischen Großhandel gelungen ist, 2021 einen beispiellosen Rekord aufzustellen und 125 Millionen Impfdosen auszuliefern, basiert nach den Worten des PHAGRO-Vorsitzenden auf der etablierten Infrastruktur der Arzneimittelvollversorgung. Wie Blümel betont, „ist die flächendeckende Versorgung über den vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel schon seit längerem nicht mehr ausreichend finanziert. Deshalb ist die Infrastruktur, die gerade in Pandemie-Zeiten als Teil der kritischen Infrastruktur erkannt und genutzt wurde, in Gefahr.“

Großhandelsspanne fällt unter 4 Prozent

Aus den 2021er Kennzahlen geht hervor, dass sich der negative Trend der Vorjahre verstetigt hat: Der Absatz verschreibungspflichtiger Arzneimittel ist insgesamt rückläufig. Dagegen steigt der Anteil hochpreisiger Arzneimittel weiter an. Er hat sich in den vergangenen gut zehn Jahren fast verdreifacht und macht heute mehr als ein Drittel des Großhandelsumsatzes mit verschreibungspflichtigen Präparaten aus. Als Folge davon ist die gesetzliche Großhandelsspanne für rezeptpflichtige Arzneimittel seit Jahren bis auf den kritischen Wert von aktuell 3,99 Prozent gesunken.

Als Vergütung erhält der pharmazeutische Großhandel pro Arzneimittelpackung einen Höchstzuschlag von 3,15 Prozent auf den Netto-Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers sowie einen Festzuschlag in Höhe von 70 Cent. Allerdings ist der prozentuale Zuschlag gekappt bei 37,80 Euro. Heißt: Für Arzneimittel, die pro Packung teurer sind als 1.200 Euro, erhält der Großhandel höchstens 37,80 Euro plus 70 Cent Festzuschlag. Das bedeutet: Je teurer das Arzneimittel, desto niedriger die prozentuale Marge des Großhandels. Und das, obwohl gerade die hochpreisigen, komplexen Medikamente – etwa kühlkettenpflichtige Präparate – in der Regel weit höhere Anforderungen an Lagerung und Transport stellen und dafür zusätzliche Investitionen erforderlich sind.

Strukturveränderungen und Kostensteigerungen

Das derzeitige Vergütungsmodell gilt seit 2012 und wurde vom Gesetzgeber festgelegt auf der Basis von Daten aus 2010. Es berücksichtigt weder die Strukturveränderungen im Arzneimittelmarkt noch die erheblichen Kostensteigerungen der vergangenen zehn Jahre. „Viele neue regulatorische Auflagen zur Arzneimittelsicherheit oder zum Fälschungsschutz müssen finanziert, zur sicheren Versorgung mit temperaturempfindlichen Arzneimitteln muss in temperaturgeführte Lager- und Transportkapazitäten investiert werden. Dazu steigen die Energie- und Personalkosten. Das alles schultern unsere Unternehmen und sind gleichzeitig eingezwängt in den Schraubstock der Arzneimittelpreisverordnung. Hier besteht dringender Handlungsbedarf“, sagte der PHAGRO-Vorsitzende Blümel.

Die Kennzahlen und Statistiken des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels sind abrufbar unter: https://www.phagro.de/dossier/zahlen_daten_fakten/