Großhandels-Infrastruktur braucht Stabilität – Vorschlag für eine faire Skonto-Regelung


Die neue Bundesregierung bekennt sich zu einer Stärkung der Arzneimittelversorgung. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es wichtig, den vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel mitzudenken und diesen zu stärken, anstatt zu schwächen. Ohne den vollversorgenden Pharmagroßhandel ist eine bedarfsgerechte, kontinuierliche und herstellerneutrale Bereitstellung von Arzneimitteln in Deutschland nicht denkbar. Die Stärke des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels liegt in der Verlässlichkeit seiner Leistungen. Schnell, zuverlässig und flächendeckend beliefert er die ca. 17.000 Apotheken in Deutschland.

Der PHAGRO | Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels steht an der Seite der Vor-Ort-Apotheken und unterstützt das Ziel einer wirtschaftlich ausreichenden Apothekenvergütung – einschließlich der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Erhöhung des Fixums. Als tägliche Partner sichern Apotheken und Großhandel gemeinsam die flächendeckende Verfügbarkeit von Arzneimitteln – insbesondere auch auf dem Land, wo die Versorgung vielfach bereits prekär ist. Die PHAGRO-Mitgliedsunternehmen brauchen wirtschaftlich stabile Apotheken – ebenso wie Apotheken auf die Leistungsfähigkeit des Pharmagroßhandels angewiesen sind. Die im Koalitionsvertrag verabredete sog. „Aufhebung des Skonto-Verbots“ würde diese Leistungsfähigkeit massiv beeinträchtigen – mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Apotheken. Vor diesem Hintergrund legen die Mitgliedsunternehmen des Bundesverbandes PHAGRO einen Lösungsvorschlag für eine faire Skontoregelung vor. Dieser bindet eine Neuregelung an klar definierte Voraussetzungen, um die Versorgungsstabilität weiterhin gewährleisten zu können.

1. Warum eine Mindestvergütung für den Großhandel unverzichtbar ist

Der gesetzlich geforderte Leistungsumfang des vollversorgenden Pharmagroßhandels ist für die flächendeckende Arzneimittelversorgung in Deutschland systemrelevant. Bereits heute steht dieser aber aufgrund steigender Kosten für Energie, Personal oder Fremdkapital unter erheblichem Druck. Damit diese Leistungen dauerhaft und verlässlich erbracht werden können, ist eine stabile ökonomische Grundlage unverzichtbar. Sie stellt sicher, dass alle Apotheken in Deutschland gleichermaßen bedarfsgerecht und kontinuierlich beliefert werden können. Die dafür notwendigen Aufwendungen des pharmazeutischen Großhandels reichen weit über die reine Warenlogistik hinaus: Sie umfassen unter anderem mehrfache tägliche Belieferungen, die Vorhaltung eines vollständigen und herstellerneutral gestalteten Sortiments an apothekenpflichtigen Arzneimitteln, um dem Bedarf für mindestens zwei Wochen, bei Kinderarzneimitteln von vier Wochen, zu entsprechen; ferner die Einhaltung der Anforderungen an die Gute Vertriebspraxis (GDP) und Maßnahmen zum Fälschungsschutz. Hinzu kommen Notfallbelieferungen, kurzfristige Verfügbarkeiten, das Management und die Verhinderung von Lieferengpässen sowie eine Vorfinanzierung der von Apotheken abgegebenen Medikamente.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 8. Februar 2024 geurteilt, dass der Festzuschlag von 73 Cent pro Packung nicht durch Rabatte oder Skonti unterschritten werden darf – und damit unterstrichen, dass eine preisliche Untergrenze zur Wahrung der (gesetzlich aufgetragenen) Leistungsfähigkeit des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels notwendig ist. Diese uneingeschränkte Mindestvergütung ist das ökonomische Fundament der Arzneimittelversorgung über den vollversorgenden pharmazeutischen Großhandel. In einer sich wandelnden Marktumgebung mit steigenden gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen und daraus resultierenden zusätzlichen Kosten, ist dieser gesetzliche Mindestpreis der zentrale Beitrag zur Sicherung der Versorgung und der Infrastruktur des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels in Deutschland.

2. BGH-Urteil darf nicht politisch unterlaufen werden

Mit seinem Urteil hat der BGH bestätigt, dass der Festzuschlag in Höhe von 73 Cent als verbindliche Mindestvergütung zu erheben ist. Diese wurde bereits 2019 durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz als verpflichtendes Element in die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) aufgenommen, um die wirtschaftliche Grundlage des vollversorgenden Großhandels zu sichern. Eine politische Aushebelung dieser Klarstellung führt zu einer schleichenden Erosion der Versorgungsqualität, da wirtschaftlicher Druck und Wettbewerb um jeden Preis zu einer Unterminierung des Mindestpreises führen können.

Klarstellend weisen wir darauf hin, dass die Formulierung einer „Aufhebung des Skonti-Verbots“ irreführend und sachlich unrichtig ist. Skonti im Großhandel sind wie jeder andere Nachlass auch nach dem Urteil des BGH vom 08.02.2024 zulässig und werden Apotheken gewährt, sofern sie sich in der Höhe auf den variablen Teil der Großhandelsspanne beschränken. Dabei hat der BGH ausdrücklich klargestellt, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Apotheken nicht über unzulässige Nachlässe auf die Großhandelsvergütung abgesichert werden darf. Die Arzneimittelpreisverordnung sieht dafür die Apothekenzuschläge gemäß § 3 AMPreisV vor, die bei Bedarf vom Verordnungsgeber angepasst werden können.

Was nun im Koalitionsvertrag als „Aufhebung des Skonti-Verbots“ bezeichnet wird, würde auf eine vollständige Unterminierung des gesamten Großhandelszuschlags hinauslaufen – und damit auf die faktische Abschaffung der gesetzlich vorgesehenen Mindestvergütung.

Dies würde die wirtschaftliche Basis der pharmazeutischen Großhandlungen untergraben und zentrale Versorgungsleistungen gefährden. Die Folgen wären in jedem Fall dramatisch, auch wenn diese heute noch nicht genau abgeschätzt werden können. Denn es fehlt die wirtschaftliche Grundlage für Investitionen in den Erhalt und die Zukunftsfähigkeit (Digitalisierung!) der flächendeckenden Infrastruktur des Pharmagroßhandels. Apotheken könnten schlimmstenfalls nicht mehr mit sämtlichen Arzneimitteln, nicht mehr mehrmals am Tag oder nicht mehr am Folgetag beliefert werden. Besonders strukturschwächere Regionen wären betroffen. Leidtragende wären letztendlich nicht nur pharmazeutische Großhandlungen und Apotheken, sondern vor allem Patientinnen und Patienten.

3. Spielräume nutzen – ohne Strukturen zu gefährden

Der PHAGRO und seine Mitgliedsunternehmen unterstützen die Vor-Ort-Apotheken als erste Anlaufstelle in der Gesundheitsversorgung und sind offen für eine ausgewogene Regelung der Skontofrage, die nicht einseitig zu Lasten des Pharmagroßhandels erfolgt, sondern den Erhalt der Versorgungsstrukturen und die Erfüllbarkeit des gemeinsamen öffentlichen Versorgungsauftrags von Apotheken und Großhandlungen zum Ziel hat.

Pharmazeutische Großhändler gewähren bereits heute Skonti im Rahmen des variablen Großhandelszuschlags, durch die der Großhandel bei frühzeitiger Zahlung Finanzierungskosten einsparen kann. Apotheken profitieren im Gegenzug. In solchen Fällen kann ein Skonto ein legitimes und sinnvolles Mittel zur Steuerung von Zahlungsflüssen sein. Eine Regelung, die über diesen Rahmen und die Zweckbindung von Skontierungen hinausgeht, würde dem Charakter von Skonti zuwiderlaufen und Skonti zu unzulässigen Rabatten machen.

Vor diesem Hintergrund unterbreitet der PHAGRO einen konstruktiven Lösungsvorschlag zur rechtssicheren Ausgestaltung von Skonti:
Zusätzlich zu den heute zulässigen Nachlässen im Rahmen des variablen Großhandelszuschlags darf ausschließlich ein eng definierter „echter Skonto“ auf den Festzuschlag gewährt werden – also ein Nachlass, der ausschließlich bei vorfristiger Zahlung gewährt wird und in einem Verhältnis zum tatsächlichen Liquiditätsvorteil des Großhandels steht.

Dafür müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:

  • Erstens muss es sich um eine vorfristige Zahlung handeln.
  • Zweitens muss das aktuelle Refinanzierungsniveau berücksichtigt werden.

Nur unter diesen Bedingungen kann der vollversorgende Großhandel auch künftig leisten, was er heute tagtäglich erbringt – und so die Versorgung weiterhin sichern. Gerade in einem Marktumfeld mit wachsenden gesetzlichen Anforderungen und steigenden Kosten ist der gesetzlich garantierte Mindestpreis dafür eine unverzichtbare Grundlage.