Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind Alltag in Deutschland: Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des PHAGRO | Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels hat jeder Zweite selbst oder im engsten Familienkreis bereits Erfahrungen mit Medikamentenmangel gemacht. Von den gesetzlichen Krankenkassen hieß es zuletzt, die aktuelle Lage sei unproblematisch, weil nur ein Prozent aller Arzneimittel betroffen sei. „Dieses Argument geht am Erleben der Menschen in Deutschland vorbei“, sagen die PHAGRO-Geschäftsführer Michael Dammann und Thomas Porstner. „Die tatsächliche Betroffenheit ist groß – und damit auch die Erwartungen an die Politik, das Problem zu lösen. Der Pharmagroßhandel kann nur dann einen entscheidenden Teil zur Transparenz und zur fairen und flächendeckenden Versorgung mit allen verfügbaren Arzneimitteln leisten, wenn er strukturell gestärkt und nicht zusätzlich belastet wird.“ Die Politik müsse darum zügig nach der Neuwahl alle an der Arzneimittelversorgung Beteiligten an einen Tisch holen, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.
Laut der repräsentativen Befragung haben es 29 Prozent der Deutschen bereits erlebt, dass ein Medikament in der Apotheke nicht ausgehändigt und auch nicht bestellt werden konnte. Weitere 22 Prozent geben an, dieses Problem aus dem engsten Familienkreis zu kennen. Angesichts dieser Zahlen ist verständlich, dass ein großer gesundheitspolitischer Handlungsbedarf gesehen wird: 92 Prozent der Befragten sind der Meinung, die Politik müsse mehr gegen Lieferengpässe tun. Ebenfalls neun von zehn Befragten halten die Verfügbarkeit von Arzneimitteln für einen Gradmesser für die Qualität unseres Gesundheitssystems.
Dabei sehen die Deutschen im Pharmagroßhandel eine zentrale Säule der Arzneimittelversorgung: Einer deutlichen Mehrheit von 78 Prozent ist bewusst, dass es dem Großhandel als Schnittstelle zwischen der pharmazeutischen Industrie und den Apotheken zu verdanken ist, wenn sie ein zunächst nicht vorrätiges Arzneimittel binnen kurzer Frist in ihrer Apotheke abholen können. Für diesen Fall haben 81 Prozent der Befragten den Wunsch, dass das Medikament spätestens am Folgetag in der Apotheke abholbereit ist oder von ihr nach Hause geliefert wurde.
„Dieses hohe Leistungsniveau steht auf dem Spiel“
„Das ist eine klare Erwartung, die nur wir erfüllen können, wenn man uns denn lässt“, erinnert PHAGRO-Geschäftsführer Porstner und fügt mit Blick auf die sogenannte Skonto-Debatte hinzu: „Dieses hohe Leistungsniveau steht auf dem Spiel, wenn die gesetzliche Großhandelsvergütung untergraben wird.“ Darum wäre es falsch, aus Kostengründen einseitig den Pharmagroßhandel zu belasten. „Wir wissen inzwischen, wie es sich auf die Versorgungssicherheit auswirkt, wenn sich Hersteller wegen zu niedriger Preise aus dem deutschen Markt zurückziehen. Mit Plänen, die eine Mindestvergütung für den Pharmagroßhandel unterlaufen, würde ein zentraler Pfeiler der Arzneimittelversorgung kaputtgespart“, sagt Porstner. „Stattdessen brauchen wir eine finanzielle Auskömmlichkeit im Gesamtsystem, die längst nicht mehr gegeben ist.“
Dass sich die Debatte nicht auf die Kosten verengen sollte, zeigt auch die aktuelle Umfrage: Wenn es um Arzneimittel geht, sind den Patientinnen und Patienten qualitative Kriterien viel wichtiger als der Preis. 77 Prozent der Befragten halten die schnelle Verfügbarkeit ihres Medikaments für besonders wichtig. Dass Krankenkassen für verschreibungspflichtige Medikamente möglichst geringe Kosten haben, finden demgegenüber nur 27 Prozent der Befragten besonders wichtig.
70 Prozent nennen zudem die Qualität und Wirksamkeit durch fachgerechte Lagerung und Transport. „Die Patientinnen und Patienten verlassen sich darauf, dass wir ihre Gesundheit schützen, indem wir strikte Maßgaben einhalten“, sagt Dammann. „Wir stellen in regelmäßigen Kontrollen unter Beweis, dass wir das können. Transporte ausländischer Versender werden dagegen überhaupt nicht kontrolliert, das ist und bleibt ein Skandal.“
Gesamtbevölkerung und Apotheker erkennen Bedeutung des Pharmagroßhandels an
Die Ergebnisse der Bevölkerungsumfrage decken sich in Bezug auf die Bedeutung des Pharmagroßhandels mit der im Oktober veröffentlichten Apokix-Umfrage des Instituts für Handelsforschung Köln unter Apothekerinnen und Apothekern. Darin hatten 93 Prozent der Befragten der Aussage zugestimmt: „Die Leistungsfähigkeit meiner Apotheke(n) hängt wesentlich von den Leistungen des Großhandels ab.“
Den darin konstatierten Anstieg beim Direktbezug von Apotheken beim pharmazeutischen Unternehmer sieht der PHAGRO dagegen äußerst kritisch. „Das ist leider ein Anzeichen dafür, dass die jeweiligen Arzneimittel dem Großhandel systematisch vorenthalten werden“, sagt PHAGRO-Geschäftsführer Michael Dammann und verweist auf die gesetzliche Belieferungsverpflichtung der pharmazeutischen Industrie gegenüber dem Großhandel. „Gerade in der aktuellen, von Lieferengpässen geprägten Lage gefährdet eine Nichtbelieferung und gezielte Umgehung des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels die Versorgungssicherheit in Deutschland.“